Mit Die Spinne und die Katze geht die neue Ultimate Spider-Man-Reihe in die zweite Runde – und liefert eine gleichermaßen originelle wie mitreißende Fortsetzung der radikalen Neudefinition des Spidey-Mythos durch Starautor Jonathan Hickman. In einer alternativen Realität, in der Peter Parker erst als erwachsener Familienvater zu Spider-Man wird, entwickelt sich ein Comic-Universum, das sich zwar vertrauter Figuren bedient, aber in frischen Konstellationen überrascht.
Story: Alte Feinde, neue Fronten
Nach den Ereignissen des ersten Bandes hat sich Peter Parker als Spider-Man etabliert – allerdings nicht als junger Teenager, sondern als erfahrener, verheirateter Mann mit Kindern. Diese Perspektive bringt eine wohltuende Reife in die Geschichte, ohne die Dynamik oder Energie klassischer Spidey-Abenteuer einzubüßen.
An seiner Seite: Harry Osborn – hier nicht der tragische Freund-Feind aus dem Originaluniversum, sondern ein aufrechter Mitstreiter, der sich als Green Goblin (!) auf die Seite der Guten geschlagen hat. Gemeinsam stellen sie sich dem wiedererstarkten Wilson Fisk, der nicht nur die Kontrolle über New York will, sondern mit der Zusammenstellung der Sinister Six neue Maßstäbe in Sachen Bedrohung setzt.
Die prominentesten unter den sechs: Black Cat, neu interpretiert als ambivalente Femme fatale mit eigenen Motiven, sowie Mr. Negative, dessen Präsenz dem Band eine düstere, beinahe mystische Atmosphäre verleiht. Weitere Überraschungen bleiben hier ungespoilert – aber Hickman weiß, wie man Erwartungen unterläuft.
Parallel dazu entwickelt sich eine spannende Nebenhandlung um Mary Jane, Gwen Stacy, Ben Urich und J. Jonah Jameson, die mit ihrer neu gegründeten Zeitung eine Gegenstimme zu Fisk und seiner Propagandamaschinerie etablieren wollen. Dieser journalistische Strang verleiht der Geschichte Bodenhaftung und verknüpft Medienkritik mit persönlichem Engagement – ein gelungener Kontrast zur Superheldenaction.
Charakterzeichnung: Ein erwachsener Spidey mit emotionaler Tiefe
Hickmans Version von Peter Parker ist nicht der üblich geplagte Teenager, sondern ein gereifter, reflektierter Mann, der seine Rolle als Held, Ehemann und Vater in Einklang bringen muss – mit wechselhaftem Erfolg. Gerade diese Mehrdimensionalität hebt ihn von vielen anderen Spidey-Varianten ab. Seine Beziehung zu Mary Jane ist geprägt von gegenseitigem Respekt und einem tiefen Verständnis, was in den emotionalen Szenen des Comics besonders zum Tragen kommt.
Die Chemie zwischen Peter und Harry ist eines der Highlights des Bandes: zwei Männer mit einer Vergangenheit voller Schuld und Hoffnung, die versuchen, gemeinsam etwas Besseres aufzubauen. Dass Harry hier als Green Goblin agiert, aber moralisch gefestigt ist, ist ein geschickter Bruch mit der klassischen Rollenzuteilung – typisch Hickman.
Zeichnungen: Blockbuster-Optik mit Stil
Visuell ist Die Spinne und die Katze ein Fest. Marco Checchetto (Punisher, Daredevil) liefert wiederholt spektakuläre Doppelseiten, dynamische Kampfszenen und ausdrucksstarke Figuren, während David Messina (Catwoman) vor allem den ruhigeren Momenten emotionale Tiefe verleiht. Die Farbgebung bleibt stimmungsvoll, meist etwas gedeckt, aber nie eintönig – perfekt für das etwas düstere, urban-technoide Setting dieses Ultimate-Universums.
Besonders die Designs der neuen Kampfanzüge, sowohl bei Spider-Man als auch bei den Sinister Six, sind eine Wucht: Hightech trifft auf Retroästhetik – mit klaren Linien, aber komplexen Details.
Fazit: Erfrischend anders – und dabei ganz Spidey
Ultimate Spider-Man: Die Spinne und die Katze ist eine gelungene Mischung aus klassischem Superheldendrama, moderner Charakterentwicklung und innovativem Worldbuilding. Hickman schafft es, ikonische Figuren neu zu denken, ohne ihre Essenz zu verlieren. Die Kämpfe sind spektakulär, die Nebenhandlungen klug geschrieben, und das emotionale Fundament der Story überzeugt auf ganzer Linie.
Die Serie fühlt sich gleichzeitig neu und vertraut an – ein Balanceakt, den nur wenige Reboots so souverän meistern.
Eine der besten Spider-Man-Varianten seit Jahren – für langjährige Fans wie für Neueinsteiger ein absoluter Lesetipp. Spannend, visuell stark, charaktergetrieben. Hickman und Checchetto setzen neue Maßstäbe im Ultimate-Universum.