David Lagercrantz, bekannt für seine Fortsetzungen der Millennium-Reihe, führt mit Das Zeichen des Fremden die spannende Serie um Hans Rekke und Micaela Vargas fort. Bereits die vorherigen Bände überzeugten durch psychologische Tiefe und komplexe Figuren, doch dieser neue Fall geht noch einen Schritt weiter und legt einen besonderen Fokus auf die inneren Konflikte der Hauptfiguren.
Handlung und Aufbau
Die Geschichte setzt in einem Moment ein, in dem Hans Rekke – der brillante, aber zerbrechliche Psychologe – am Rande seiner psychischen Belastbarkeit steht. Micaela Vargas, Polizistin und seine engste Verbündete, verbirgt derweil eigene Geheimnisse. Die fragile Balance zwischen beiden wird jäh gestört, als der spanische Ermittler Álvaro Peralta auftaucht. Er verfolgt eine grausige Spur: ein Mord aus dem Jahr 1988, bei dem das Opfer mit rätselhaften Zeichen markiert wurde, scheint Teil einer Serie zu sein.
Lagercrantz gelingt es, die Spannung sofort hochzufahren, indem er Vergangenheit und Gegenwart kunstvoll verwebt. Die Ermittlungen führen tief in die Literaturszene Stockholms, wo kreative Eitelkeiten, verborgene Machtstrukturen und alte Lügen aufgedeckt werden. Die „Zeichen“ auf den Körpern der Opfer fungieren nicht nur als kriminalistisches Rätsel, sondern als Symbol für eine perfide, intellektuelle Inszenierung des Täters.
Charaktere
Die Stärke des Romans liegt in der Entwicklung der Protagonisten. Hans Rekke ist kein klassischer Ermittler, sondern ein Mensch voller Widersprüche: brillant in der Analyse, gleichzeitig von seinen eigenen Dämonen heimgesucht. Sein psychischer Zustand verleiht dem Buch eine dichte, manchmal beklemmende Atmosphäre. Micaela Vargas steht ihm als pragmatische und loyale Partnerin gegenüber, die diesmal selbst mehr im Schatten agiert. Ihr Geheimnis wird geschickt in die Haupthandlung eingeflochten, wodurch sich eine zusätzliche Spannungsebene ergibt.
Auch Álvaro Peralta ist mehr als nur der „Gastermittler“ aus Spanien. Lagercrantz zeichnet ihn als leidenschaftlichen Polizisten, der vom alten Mordfall fast besessen ist. Die Dynamik zwischen den dreien – Rekkes analytische Brillanz, Vargas’ Bodenständigkeit und Peraltas getriebene Energie – ist eines der Highlights des Buches.
Stil und Atmosphäre
Lagercrantz schreibt in einem klaren, aber atmosphärisch dichten Stil. Die Beschreibung Stockholms, insbesondere der intellektuellen Kreise, ist präzise und gelegentlich mit feiner Ironie durchzogen. Der Autor nutzt seine Erfahrung im Schreiben psychologisch komplexer Figuren, um die Ermittlungen mit inneren Konflikten zu verknüpfen. Die „Zeichen“ als wiederkehrendes Motiv geben dem Roman eine fast mythische, gleichzeitig unheimliche Note.
Themen
Neben der Krimihandlung greift Das Zeichen des Fremden Themen wie Identität, Wahrheit und die zerstörerische Kraft von Geheimnissen auf. Besonders spannend ist die Auseinandersetzung mit der Frage, wie weit Kunst und Literatur als Deckmantel für moralisches Versagen dienen können.
Fazit
Das Zeichen des Fremden ist ein intelligenter, atmosphärischer Kriminalroman, der klassische Ermittlungsarbeit mit psychologischer Tiefe verbindet. Fans von skandinavischen Krimis und Lesern, die mehr als nur eine „Whodunit“-Geschichte erwarten, wird das Buch gefallen. Die Figuren sind komplex, die Handlung clever konstruiert, und der Mix aus persönlicher Dramatik und düsterer Krimispannung macht das Buch zu einem der stärkeren Titel der Reihe.