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Roland Rebers 24/7 – The Passion of Life ist ein Film, der seine Zuschauer fordert, provoziert und zugleich auf eine poetisch-philosophische Reise durch die menschliche Sexualität mitnimmt. Bereits die Pressenotiz beschreibt das Werk als „provokant-poetische Reise durch das Reich der Sexualität, der Einsamkeit und der lustvollen Qual unseres Seins“ – und genau das trifft den Kern. Der Film, der 2005 bei den Hofer Filmtagen Premiere feierte, steht exemplarisch für das unabhängige Filmschaffen des WTP-Teams um Reber, Mira Gittner und Marina Anna Eich: kompromisslos, künstlerisch frei und radikal ehrlich.


Im Mittelpunkt steht die junge Hotelierstochter Eva (Marina Anna Eich), die zufällig auf die Soziologin Magdalena alias Lady Maria (Mira Gittner) trifft, eine Domina, die ihre Arbeit zugleich als psychologische und spirituelle Praxis begreift. Fasziniert von der Welt der „anderen Sexualität“ taucht Eva in eine Sphäre aus Lust, Ritual, Scham und Selbstfindung ein – eine Odyssee zwischen Swingerclubs, SM-Studios und Stripteasebars, die weniger voyeuristisch als vielmehr existenziell erzählt wird. „Sexualität ist individuell“, betont Mira Gittner im Presseheft, „und da es nicht den Menschen gibt, gibt es auch nicht die Sexualität.“ Genau in dieser Haltung liegt der Reiz des Films: er wertet nicht, sondern beobachtet.


Reber selbst beschreibt Sexualität als „Metapher für die Identitätssuche“ – ein zentrales Leitmotiv seines Werks. 24/7 geht damit weit über die bloße Darstellung von Tabubrüchen hinaus. Das SM-Studio wird zum sakralen Raum, in dem sich Rationalität und Emotion, Schuld und Erlösung, Schmerz und Hingabe begegnen. In den besten Momenten erinnert der Film an ein modernes Mysterienspiel über Körper und Geist. Die ästhetische Verbindung von Erotik, Symbolik und Religionsassoziationen – untermalt von Mozarts Requiem und Schuberts Deutscher Messe – erzeugt eine ungewöhnliche Spannung zwischen sinnlicher Körperlichkeit und spiritueller Transzendenz.


Kritiker lobten den Film für seinen Mut und seine Aufrichtigkeit. Die Süddeutsche Zeitung sprach von einer „SM-Oper mit absurd-komischen Szenen und melodramatischen Sequenzen“, während Blickpunkt: Film ihn als „eine Art Russ-Meyer-Film, sehr direkt und radikal“ bezeichnete – aber eben ohne Pornografie oder Effekthascherei. Widescreen nannte 24/7 ein „aufwühlendes Programmkino mit Anspruch ohne erhobenen Zeigefinger“, und Filmstarts.de sah darin eine „poetische Odyssee zwischen Perversion und Konvention“.


Besonders bemerkenswert ist die konsequente Unabhängigkeit der Produktion: Ohne Fördergelder, mit minimalem Budget und vielen Laiendarstellern drehte das Team an realen Schauplätzen, darunter ein echtes SM-Studio. Diese Entscheidung verleiht dem Film eine ungeschönte Authentizität, auch wenn manche Szenen technisch roh wirken. Die Bildgestaltung durch Gittner und Reber überzeugt durch kluge Symbolik und starke Farbkompositionen. Die Schauspieler – allen voran Marina Anna Eich und Mira Gittner – tragen den Film mit intensiver Präsenz und emotionaler Offenheit.


Die DVD-Veröffentlichung von WTP International präsentiert den Film in würdiger Form: Sie bietet nicht nur ein sauberes Bild- und Tonmastering, sondern auch aufschlussreiches Bonusmaterial, das den künstlerischen Anspruch des Projekts unterstreicht. Interviews mit Roland Reber und Mira Gittner, ein Blick hinter die Kulissen und Ausschnitte von Festivaldiskussionen (u. a. den Hofer Filmtagen) erweitern den Blick auf das Werk und seine Entstehung. Besonders spannend sind die Einblicke in die Recherchearbeit – Gespräche in Swingerclubs, Studios und mit echten Szenemitgliedern –, die zeigen, mit welchem Respekt das Team an das Thema heranging.


Inhaltlich und formal bleibt 24/7 – The Passion of Life ein Grenzgänger: zwischen Filmessay und Spielfilm, zwischen Erotik und Philosophie, zwischen Körper und Seele. Manche Zuschauer werden die theatralische Sprache und die symbolische Überhöhung als zu artifiziell empfinden, andere werden gerade darin den Reiz des Films entdecken. Doch niemand kann bestreiten, dass Reber und sein Team ein Stück wirklich unabhängiges Kino geschaffen haben – fernab industrieller Konventionen und mit der selten gewordenen Bereitschaft, sich existenziellen Fragen zu stellen.


Am Ende ist 24/7 kein Film über Sex, sondern über das Menschsein. Über die Einsamkeit, die Suche nach Identität und die Sehnsucht, sich selbst zu begegnen – 24 Stunden am Tag, sieben Tage die Woche. Die WTP-DVD macht dieses ungewöhnliche Werk zugänglich für all jene, die sich auf einen Film einlassen wollen, der konfrontiert, irritiert und inspiriert – und gerade darin seine Leidenschaft für das Leben beweist.