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Storm – Im Auge des Sturms eröffnet die erste eigene Soloserie der beliebten Mutantin Ororo Munroe – und liefert einen Auftaktband, der der Figur endlich die erzählerische Größe verleiht, die ihr seit Jahrzehnten zusteht. Autor Murewa Ayodele und Zeichner Lucas Werneck widmen sich nicht nur ihrer gewaltigen Macht, sondern auch der Last, die damit einhergeht. Das Ergebnis ist ein moderner, emotionaler und zugleich mythologisch aufgeladener Comic, der Storm neu definiert: nicht nur als X-Men-Mitglied oder Wetterlenkerin, sondern als Frau am Scheideweg zwischen Leben, Tod und Verantwortung.


Der Band setzt an einem existenziellen Punkt an: Storm steht vor ihrem möglichen Ende – und diese Bedrohung zwingt sie, ihre Kräfte, ihren Glauben und ihre Beziehungen neu zu hinterfragen. Dass sie nicht gegen einen äußeren Feind, sondern gegen das Schicksal selbst kämpfen muss, verleiht der Geschichte eine ungewohnt intime Dimension. Dennoch fehlt es nicht an klassischen Marvel-Momenten: Dr. Voodoo, Wolverine, Rogue, sogar Dr. Doom (in seiner überraschenden Rolle als neuer Oberster Zauberer) kreuzen ihren Weg. Doch jede Begegnung dient weniger dem Fanservice als Storms innerem Konflikt: Was bedeutet es, eine Göttin zu sein, wenn der eigene Tod unausweichlich erscheint?


Ayodele schreibt Storm weder als unnahbare Ikone noch als tragische Märtyrerin, sondern als Figur mit echter innerer Reibung. Sein Text pendelt geschickt zwischen Pathos, Spiritualität, Kampfgeist und Selbstreflexion – eine Mischung, die perfekt zur Geschichte einer Heldin passt, deren Macht buchstäblich in den Himmel greift. Werneck ergänzt das mit dynamischen, expressiven Bildern, die ihre Kraft nicht nur abbilden, sondern spürbar machen: Wetter, Energie, Mimik, Licht – alles wirkt groß, elementar und zugleich tief menschlich.


Optisch gehört der Band zu den stärkeren aktuellen X-Men-Titeln: Wernecks Stil ist detailreich, aber nie überladen, farblich kraftvoll, aber nicht bonbonhaft; Actionsequenzen fließen organisch in ruhigere Dialogszenen. Für Storm-Fans ist besonders schön, dass ihre kulturelle und spirituelle Herkunft nicht nur erwähnt, sondern visuell mitgetragen wird.


Trotz des hohen Anspruchs bleibt der Band erzählerisch zugänglich. Neue Leser*innen können einsteigen, ohne viel Vorwissen – langjährige Fans werden aber etliche Verweise, Dynamiken und Charakterentwicklungen als bewusst gesetzte Spiegelungen der X-Men-Historie erkennen. Besonders wirkt, dass Storm hier nicht „Nebenfigur mit Fokus“, sondern unangefochtene Protagonistin ist, mit eigener Mythologie, eigenen Entscheidungen, eigenem moralischem Zentrum.


Storm – Im Auge des Sturms ist kein leichtes, aber ein lohnendes Comic-Debüt: episch, emotional, kraftvoll inszeniert und endlich eine Geschichte, die Storm nicht begleitet, sondern trägt. Wer Superheldencomics vor allem wegen actionreicher Energie liest, kommt auf seine Kosten. Wer sie wegen Charaktertiefe liest, noch mehr.


Für Marvel-Leser*innen, die seit Jahren auf eine ernsthafte Soloserie der Wettergöttin gewartet haben: Dieses erste Kapitel hält das Versprechen ein – und lässt genug offen, um gespannt auf die Fortsetzung zu sein.