Mit Beating Hearts legt Regisseur Gilles Lellouche ein zutiefst emotionales, atmosphärisch dichtes Drama vor, das den Zeitgeist des Nordfrankreichs der 1980er Jahre in beeindruckender filmischer Sprache einfängt. Basierend auf dem Roman L’amour ouf von Neville Thompson gelingt Lellouche eine mitreißende Adaption, die sich mühelos zwischen Coming-of-Age-Film, Gesellschaftsdrama und tragischer Liebesgeschichte bewegt.
Eine Liebe gegen alle Widerstände
Im Zentrum stehen zwei Jugendliche, wie sie unterschiedlicher kaum sein könnten: Clotaire (François Civil), ein rebellischer Junge aus den rauen Vorstädten, dessen Leben von Gewalt und Perspektivlosigkeit geprägt ist, und Jackie (Adèle Exarchopoulos), Tochter aus gutbürgerlichem Haus, selbstbewusst, klug und entschlossen, ihren eigenen Weg zu gehen. Zwischen beiden entfacht eine Liebe, die gegen alle gesellschaftlichen Grenzen anrennt – leidenschaftlich, roh, ungestüm.
Doch die Realität holt das junge Paar schnell ein. Als Clotaire in eine Gang abrutscht und wegen eines Verbrechens, das er nicht begangen hat, verurteilt wird, zerreißt das Schicksal ihre Verbindung. Lellouche widmet dem Gefängnisaufenthalt zwar nur wenige Szenen, doch diese sind umso eindringlicher – sie zeigen nicht nur den Verlust der Freiheit, sondern auch das Verkümmern eines jungen Lebens unter systemischem Unrecht. Als sich Clotaire und Jackie Jahre später wieder begegnen, steht nicht nur ihre Vergangenheit zwischen ihnen, sondern auch Clotaires innerer Kampf zwischen Vergeltung und Versöhnung.
Charaktere mit Tiefe und Widersprüchen
Clotaire ist mehr als der stereotype verlorene Junge aus dem sozialen Brennpunkt. Lellouche zeigt ihn als verletzlichen, hochintelligenten jungen Mann, der sich nach Zugehörigkeit sehnt – nicht zur Gang, sondern zur Welt, die ihn von Beginn an ausgrenzt. François Civil verleiht Clotaire eine zerrissene Kraft: Hinter der Fassade des gewaltbereiten Jugendlichen steckt ein zutiefst moralischer Mensch, der gezwungen ist, sich in einer Welt zu behaupten, die keine Rücksicht auf seine Träume nimmt. Seine innere Wut wird nie klischiert, sondern bleibt glaubhaft und menschlich.
Jackie hingegen ist keine bloße Projektionsfläche für den "rettenden Engel". Adèle Exarchopoulos verleiht ihr eine bemerkenswerte emotionale Eigenständigkeit. Jackie ist nicht naiv – sie weiß, dass ihre Liebe zu Clotaire nicht in das Weltbild ihrer Eltern passt, und sie weiß auch, was sie riskiert. Doch gerade diese Klarheit macht sie stark. Sie ist keine Rebellin aus Trotz, sondern aus Überzeugung. Ihre Figur steht stellvertretend für eine junge Frau, die gegen die ihr zugedachte Rolle ankämpft – als Tochter, Freundin und später als Erwachsene, die Verantwortung übernimmt.
Das Wiedersehen der beiden Jahre später stellt nicht nur ihre Gefühle auf die Probe, sondern konfrontiert sie mit der Frage, ob Menschen sich wirklich ändern können – oder ob sie auf ewig Gefangene ihrer Herkunft bleiben. Clotaires ungebrochener Wunsch nach Gerechtigkeit, vermischt mit einem gefährlichen Drang nach Rache, kollidiert mit Jackies geerdeter Hoffnung auf einen Neuanfang.
Authentizität statt Nostalgie
Was Beating Hearts aus der Masse an Retro-Romanzen herausragen lässt, ist seine kompromisslose Authentizität. Lellouche verklärt die 80er nicht zur bunten Popkulisse, sondern nutzt sie als soziohistorischen Resonanzraum. Graue Hochhaussiedlungen, Neonlicht, Plattencover und Ghettoblaster wirken nie dekorativ, sondern verankern die Geschichte in einem gesellschaftlichen Spannungsfeld, das heute noch nachwirkt. Die Kameraarbeit von Laurent Tangy ist dabei ebenso poetisch wie direkt – zarte Close-Ups wechseln sich mit dokumentarisch wirkenden Straßenszenen ab.
Schauspielerische Glanzleistungen
François Civil spielt Clotaire mit einer Mischung aus verletzlicher Wut und innerer Zerrissenheit – seine Darstellung bleibt noch lange nach dem Abspann im Gedächtnis. Adèle Exarchopoulos bringt Jackie als Figur voller Wärme, Entschlossenheit und tiefer emotionaler Intelligenz auf die Leinwand. Besonders hervorzuheben sind auch die jungen Darsteller in den Teenagerrollen – Mallory Wanecque und Malik Frikah liefern eine eindrucksvolle Leistung, die an die Härte und Unsicherheit jugendlicher Realität in einem prekären Umfeld erinnert.
Die neue Blu-ray von Studiocanal (Arthaus Label)
Studiocanal hat Beating Hearts im Arthaus-Label eine hochwertige Blu-ray-Veröffentlichung spendiert, die dem Film in technischer Hinsicht gerecht wird. Das Bild ist gestochen scharf und betont sowohl die melancholische Farbpalette der 80er Jahre als auch die fein nuancierten Lichtstimmungen, die von verwaschenem Sonnenlicht bis zu kaltem Neon reichen. Der Ton – sowohl im Original als auch in der deutschen Synchronfassung – ist hervorragend abgemischt. Musik und Dialoge sind klar voneinander getrennt, die atmosphärische Soundkulisse (u.a. mit französischem New Wave) entfaltet sich voll.
Fazit
Beating Hearts ist großes Gefühlskino mit Tiefgang – ein Film über Liebe, soziale Herkunft, Reue und die Suche nach einem besseren Leben. Gilles Lellouche gelingt ein Balanceakt zwischen sozialem Realismus und filmischer Poesie, getragen von einem herausragenden Ensemble. Die Arthaus-Blu-ray macht diese bewegende Geschichte auch im Heimkino zu einem intensiven Erlebnis.