„Die Reifeprüfung“ („The Graduate“), 1967 unter der Regie von Mike Nichols entstanden, gehört bis heute zu den prägenden Werken des amerikanischen Kinos der späten Sechzigerjahre. Der Film erzählt die Geschichte des orientierungslosen College-Absolventen Benjamin Braddock, der nach seinem Studienabschluss in sein Elternhaus nach Südkalifornien zurückkehrt. Dort wird er von der wesentlich älteren, verheirateten Mrs. Robinson verführt. Was zunächst als eine geheimnisvolle, aufregende Affäre beginnt, entwickelt sich rasch zu einer komplizierten Situation, als Benjamin sich ausgerechnet in ihre Tochter Elaine verliebt. Diese Dreieckskonstellation bietet nicht nur eine packende dramatische Grundlage, sondern diente Nichols zugleich als satirischer Kommentar auf die gesellschaftlichen Spannungen jener Zeit, in der die Nachkriegsgeneration gegen Konventionen, Spießertum und das starre Wertesystem ihrer Eltern rebellierte.
Die Besetzung trägt maßgeblich zum bleibenden Ruhm des Films bei. Dustin Hoffman, der in der Rolle des Benjamin Braddock seinen großen Durchbruch feierte, wurde am 8. August 1937 in Los Angeles geboren. Zunächst schlug er eine Laufbahn als Pianist ein, ehe er sich der Schauspielerei zuwandte. Mit „Die Reifeprüfung“ gelang ihm nicht nur der Einstieg in Hollywood, sondern auch der Beginn einer beeindruckenden Karriere, die ihn zu einem der bedeutendsten Charakterdarsteller seiner Generation machte.
Anne Bancroft, die als verführerische und zugleich tragisch gefangene Mrs. Robinson Weltruhm erlangte, wurde 1931 in der Bronx, New York, als Anna Maria Louisa Italiano geboren. Bereits in den Fünfzigern etablierte sie sich am Broadway, später wurde sie durch zahlreiche Filmrollen bekannt und gewann für „Licht im Dunkel“ den Oscar. Ihr nuanciertes Spiel zwischen kühler Verführung und verletzlicher Verzweiflung macht „Die Reifeprüfung“ bis heute so faszinierend.
Auch in einer winzigen Nebenrolle ist Richard Dreyfuss zu sehen, der später mit Filmen wie „Der weiße Hai“ und „Unheimliche Begegnung der dritten Art“ selbst zu einem großen Star des New Hollywood avancierte.
Regisseur Mike Nichols, 1931 in Berlin geboren und mit seiner Familie vor den Nationalsozialisten in die USA geflohen, begann seine Karriere zunächst als Theaterregisseur und Kabarettist, bevor er mit Filmen wie „Wer hat Angst vor Virginia Woolf?“ und „Die Reifeprüfung“ Hollywood eroberte. Sein präzises Gespür für Dialoge, Timing und satirische Brechungen brachte ihm 1968 den Oscar für die beste Regie. Gerade in „Die Reifeprüfung“ gelingt es ihm, den Zeitgeist der Sechzigerjahre einzufangen: die Verunsicherung einer jungen Generation, die sich zwischen Anpassung und Aufbruch, Konformität und Selbstbestimmung wiederfand.
Ein nicht minder wichtiger Bestandteil des Films ist der Soundtrack. Simon & Garfunkel lieferten mit „The Sound of Silence“ und vor allem mit „Mrs. Robinson“ musikalische Beiträge, die untrennbar mit dem Film verknüpft sind und zu Hymnen einer ganzen Generation wurden. Die Musik verleiht dem Film eine poetische Melancholie, die weit über die Handlung hinausreicht.
Studiocanal/Arthaus hat „Die Reifeprüfung“ nun in einer aufwendig restaurierten 4K-Version neu herausgebracht. Diese Veröffentlichung hebt die brillante Bildsprache des Kameramanns Robert Surtees auf ein neues Niveau: Farben wirken natürlicher, Kontraste feiner abgestimmt, und die ikonischen Bilder – etwa Benjamins Blick durch die Glasscheibe des Tauchhelms oder die berühmte Szene mit Mrs. Robinsons Bein im Vordergrund – entfalten ihre ganze visuelle Kraft. Auch der Ton wurde überarbeitet, sodass Dialoge und Musik in zeitgemäßer Klarheit erstrahlen.
Neben der technischen Aufwertung überzeugt die Edition auch durch ihr üppiges Bonusmaterial. Gleich mehrere Audiokommentare geben spannende Einblicke in Entstehung und Rezeption des Films, Interviews mit Beteiligten beleuchten Hintergründe und Anekdoten, und Dokumentationen wie „Looking Back“ oder „Die Reifeprüfung – 25 Jahre später“ bieten eine historische Einordnung. Hinzu kommen seltene Probeaufnahmen, ein Booklet mit vertiefenden Texten sowie Features über die kulturelle Bedeutung des Films in den Sechzigerjahren. Diese Zusammenstellung macht die Neuauflage nicht nur für Cineasten, sondern auch für ein jüngeres Publikum attraktiv, das den Klassiker vielleicht zum ersten Mal entdeckt.
„Die Reifeprüfung“ ist mehr als nur eine Gesellschaftssatire oder eine Liebesgeschichte. Der Film ist ein Zeitdokument, das das Lebensgefühl einer Generation in einem einzigen Satz zusammenfasst: die Suche nach Sinn in einer Welt voller Erwartungen, Normen und Zwänge. In seiner Mischung aus Humor, Tragik und musikalischem Zauber bleibt er ein unvergänglicher Meilenstein des Kinos, der nun in der 4K-Edition von Studiocanal/Arthaus in bestmöglicher Form zugänglich ist.