Mit Roland Rebers Todesrevue legt der unabhängige Filmemacher Roland Reber (1954–2022) seinen wohl konsequentesten, zugleich versöhnlichsten Film vor – eine satirische Revue über Tod, Würde und mediale Enthemmung, die zwischen Groteske, Philosophie und Burleske balanciert. Entstanden im Kollektiv der Münchner Produktionsgemeinschaft wtp international, ist der Film – wie alle Werke Rebers – ohne Fördermittel realisiert, getragen allein von Kreativität, Teamgeist und künstlerischer Freiheit.
Der Film stellt eine radikale Frage: Was ist Leben – und was bleibt, wenn es endet? In lose verknüpften Episoden begegnen wir einer Tänzerin, die ihrem Altern verzweifelt davontanzt; einem alten Mann, der um Sterbehilfe bittet; einem zynischen Talkmaster, der Menschen vor laufender Kamera demütigt; einem maskierten Performer auf der Suche nach digitaler Unsterblichkeit – und einem Leichenfahrer, der all das mit stoischer Ruhe kommentiert. Zwischen Showbühne, Krankenhaus und metaphysischem Tunnel entfaltet sich eine „Mediensatire über das Dasein im Zeitalter von Klicks, Likes und Selbstoptimierung“ – ein greller Totentanz auf dem Jahrmarkt der Eitelkeiten.
Reber inszeniert diese „Todesrevue“ als bitterbunte Collage, irgendwo zwischen Brecht’scher Parabel, Rockoper und Fernsehkritik. Schon der Einstieg – eine groteske Castingshow, in der Kandidaten gnadenlos geopfert werden – entlarvt die Sensationslust unserer Mediengesellschaft. Der Tod, der hier besungen, betanzt und bespottet wird, ist zugleich ein Spiegel des Lebens selbst. Statt Pathos herrscht Ironie, statt Trübsal: anarchische Lust am Denken und Spielen.
Wie stets bei wtp international, ist der Film ein Gemeinschaftswerk. Mira Gittner verantwortet Kamera und Schnitt und verleiht der „Revue“ ein visuelles Wechselspiel aus Studioästhetik, Videolook und Symbolik. Antje Nikola Mönning komponierte den Soundtrack, der von Bach-Anleihen über Rocknummern bis zu der bitterbösen Hymne „Dildomarsch“ reicht. Marina Anna Eich glänzt als verbissene Balletttänzerin Billie, die dem Jugendwahn erliegt, während Eisi Gulp als philosophischer Leichenfahrer zum heimlichen Herz des Films wird – lakonisch, warm, weise.
Reber, der das Drehbuch gemeinsam mit Gittner und Mönning verfasste, basiert den Film auf einem Theaterstück aus den 1980er Jahren, das er anlässlich des Todes seines Vaters schrieb. Heute, Jahrzehnte später, wirkt die einst utopische Idee einer „interaktiven Todes-Show“ erschreckend real. In der Zeit von Reality-TV und Online-Pranger ist Rebers Satire keine Übertreibung mehr, sondern bittere Gegenwart.
Zentrales Motiv ist dabei die Würde – der respektvolle Umgang mit Sprache, Leben und Sterben. Reber formulierte es im Presseheft so: „So wie wir mit Worten umgehen, so gehen wir auch mit Menschen um.“ Dieser Gedanke zieht sich durch alle Szenen: Die Würde des Einzelnen wird im medialen Lärm geopfert, und die eigentliche Katastrophe ist nicht der Tod, sondern die Gleichgültigkeit davor.
Die Blu-ray von WTP International
Die Blu-ray-Veröffentlichung von WTP International präsentiert Roland Rebers Todesrevue in 2K-Abtastung (2,39:1, Dolby SR, 93 Min., FSK 12) – in hervorragender Bild- und Tonqualität, die die leuchtenden Farben und Bühnenbilder eindrucksvoll zur Geltung bringt. Das Bonusmaterial ist reichhaltig und bietet nicht nur klassische Extras wie Interviews mit Cast und Crew, sondern auch Einblicke in den außergewöhnlichen Produktionsprozess. Man erlebt, wie Reber, Gittner und das Ensemble als künstlerische Gemeinschaft agieren – unabhängig, selbstbestimmt und frei von industriellen Zwängen.
Besonders sehenswert ist das Making-of, das den demokratischen Produktionsgeist von wtp international verdeutlicht: Schauspieler übernehmen Kameraassistenz, Produzenten stehen auf der Bühne, und jeder ist Teil des Ganzen. Diese kreative Unabhängigkeit spürt man in jedem Bild.
Fazit
Roland Rebers Todesrevue ist eine grotesk-poetische Reflexion über die mediale Selbstverwertung unserer Zeit – ein Totentanz, der vor Lebensfreude sprüht. Zwischen Zynismus und Mitgefühl, Philosophie und Klamauk gelingt Reber ein Werk, das provoziert und zugleich versöhnt. Die Blu-ray von WTP International fängt diesen Geist in bestechender Qualität ein und macht das Werk zugänglich für ein Publikum, das jenseits des Mainstreams sucht.
Rebers Film ist mehr als Kino – er ist eine Einladung zum Gespräch über Leben, Tod und Würde. Oder, wie es eine Figur im Film formuliert: „Im Tod hat man Zeit – im Leben sollte man sie sich nehmen.“