Mit Sein letzter Fall bringt One Gate Media einen der markantesten Fernsehkrimis der DDR erstmals auf DVD heraus – als Teil der verdienstvollen Reihe DDR TV-Archiv, die in den letzten Jahren zahlreiche filmische Schätze aus DEFA- und DFF-Zeiten wieder zugänglich gemacht hat. Der zweiteilige Kriminalfilm aus dem Jahr 1976, inszeniert mit politischem Feinsinn und zeittypischer Präzision, bietet mehr als klassische Detektivkost: Er ist zugleich ein kritischer Blick auf Nachkriegsdeutschland, den Umgang mit NS-Raubkunst und die gesellschaftlichen Machtverhältnisse der BRD in den 1970er Jahren.
Die Geschichte beginnt mit einem scheinbar simplen Auftrag: Der Münchner Privatdetektiv Fretsch (markant und glaubwürdig gespielt von Wolf Kaiser) soll für einen Mandanten in Quebec den Nachweis erbringen, dass diesem eine Erbschaft von fünf Millionen Dollar zusteht. Der Schlüssel dazu: Ein verschollenes Dokument, das sich angeblich in einem während des Zweiten Weltkriegs verschwundenen Gemälde der Familie Seligmann befindet. Die Spur führt zunächst nach Polen – in eine Stadt, in der das Bild zuletzt gesehen wurde – und schließlich zurück nach Deutschland, wo es offenbar in den Besitz eines einflussreichen Mannes gelangt ist, der heute eine bedeutende Rolle in Wirtschaft und Politik der BRD spielt.
Der Zweiteiler ist klug aufgebaut. Teil 1 (Ein Münchner in Polen) begleitet Fretsch bei seinen Recherchen in einer Stadt, in der die Spuren des Krieges noch sichtbar sind – architektonisch wie menschlich. Die Konfrontation mit den Nachwirkungen des Zweiten Weltkriegs, insbesondere dem Umgang mit geraubtem Kulturgut, bildet das emotionale Fundament dieses Abschnitts. Teil 2 (Ein Amerikaner in München) wechselt nicht nur den Schauplatz, sondern auch den Ton. Jetzt verschieben sich die Ermittlungen in eine politische Dimension, als sich herausstellt, dass die Spur des Gemäldes in die oberen Etagen der westdeutschen Gesellschaft führt. Die Enthüllung, dass ein Mann mit NS-Vergangenheit heute als unantastbare Persönlichkeit in Politik und Wirtschaft fungiert, verleiht dem Film eine Brisanz, die auch heute noch nachhallt.
Schauspielerisch ist Sein letzter Fall durchweg überzeugend. Wolf Kaiser verkörpert den Ermittler Fretsch mit einer Mischung aus Abgeklärtheit und moralischer Unbeugsamkeit, die ihn zu einem ungewöhnlich kantigen, fast noirhaften Helden macht. Ekkehard Schall und Ursula Karusseit ergänzen die Besetzung mit viel DDR-Starpower, wobei Karusseit als polnische Kontaktperson besonders eindrucksvoll bleibt – eine Frau, die zwischen den Fronten steht und viel mehr weiß, als sie preisgibt.
Was Sein letzter Fall besonders macht, ist seine Verbindung von Krimiunterhaltung mit politischer Zeitkritik. Der Film stellt unbequeme Fragen zur Rolle ehemaliger Nationalsozialisten im westdeutschen Establishment, zum Vergessen und Verdrängen und zum Umgang mit geraubter Kunst. Dabei wird nicht mit dem moralischen Holzhammer gearbeitet – vielmehr entfaltet sich das Spannungsfeld zwischen Schuld und Macht ganz natürlich aus der Handlung heraus.
Die DVD-Erstveröffentlichung durch One Gate Media im Rahmen der DDR TV-Archiv-Reihe ist eine willkommene Ergänzung für Sammler wie für historisch und filmisch Interessierte. Bild- und Tonqualität sind dem Alter entsprechend gut aufbereitet, wenn auch nicht restauriert im modernen Sinne. Der authentische Charme der 1970er-Jahre-Produktion bleibt erhalten – inklusive der typischen Bildästhetik, ruhigen Erzählweise und dem sorgfältig komponierten Score.
Einziger Wermutstropfen: Bonusmaterial ist leider nicht enthalten. Gerade bei einem Film mit solch historischem und kulturellem Gehalt hätte man sich Hintergrundinformationen, etwa zur Entstehung oder zur Rezeption im DDR-Fernsehen, gewünscht. Dennoch macht allein die Wiederverfügbarkeit dieses Films die DVD zu einem wertvollen Beitrag zur deutschen Fernsehgeschichte.
Fazit: Sein letzter Fall ist ein klug konstruierter, hervorragend gespielter DDR-Kriminalfilm mit ungewöhnlicher Tiefe. Die Mischung aus spannender Detektivgeschichte, kritischer Zeitdiagnose und moralischem Unterton macht den Zweiteiler auch fast fünfzig Jahre nach seiner Erstausstrahlung sehenswert. Die DVD-Veröffentlichung in der DDR TV-Archiv-Reihe ist eine verdiente Würdigung dieses filmischen Kleinods.