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Mit All you need is less: Eine Kultur des Genug aus ökonomischer und buddhistischer Sicht legen Manfred Folkers und Niko Paech ein ebenso provokantes wie tiefgründiges Buch vor, das sich deutlich von oberflächlichen Achtsamkeits- oder Nachhaltigkeitsratgebern absetzt. Erschienen im Oekom Verlag, verbindet das Werk zwei Denktraditionen, die auf den ersten Blick weit auseinanderliegen mögen, sich bei genauerer Betrachtung jedoch erstaunlich präzise ergänzen: die wachstumskritische Ökonomie und die buddhistische Lehre vom rechten Maß.


Ausgangspunkt des Buches ist eine klare Diagnose: Die gegenwärtigen ökologischen, sozialen und psychischen Krisen sind keine bedauerlichen Nebenfolgen eines ansonsten funktionierenden Systems, sondern direkte Konsequenzen eines auf permanentem Wachstum basierenden Wirtschafts- und Lebensmodells. Achtsamkeit und Nachhaltigkeit, so argumentieren die Autoren, sind zwar allgegenwärtig im öffentlichen Diskurs, werden jedoch häufig entpolitisiert und individualisiert. Sie dienen dann eher der Optimierung des Einzelnen innerhalb eines zerstörerischen Systems als dessen grundlegender Infragestellung. Genau hier setzt All you need is less an.


Niko Paech, bekannt als einer der profiliertesten Vertreter der Postwachstumsökonomie, liefert eine scharfe Analyse der ökonomischen Wachstumstreiber. Er zeigt überzeugend auf, warum technologische Effizienzsteigerungen, „grünes Wachstum“ oder eine bloße Internalisierung von Umweltkosten nicht ausreichen, um den Ressourcenverbrauch wirksam zu senken. Stattdessen entlarvt er den Glauben an entkoppeltes Wachstum als Illusion und macht deutlich, dass echte Nachhaltigkeit ohne eine radikale Reduktion von Produktion und Konsum nicht zu haben ist. Seine Argumentation ist dabei sachlich, präzise und fundiert, bleibt aber stets zugänglich und verständlich.


Manfred Folkers ergänzt diese ökonomische Perspektive durch eine buddhistische Sicht auf menschliche Bedürfnisse, Leid und Zufriedenheit. Er greift zentrale Konzepte wie Anhaftung, Begehren und Achtsamkeit auf und zeigt, wie sehr die Logik des grenzenlosen Konsums mit einer inneren Leere korrespondiert. Besonders stark ist seine Analyse dort, wo er den Zusammenhang zwischen äußeren Wachstumszwängen und innerer Unruhe herausarbeitet. Der Buddha, so wird deutlich, liefert keine esoterische Wohlfühllehre, sondern eine radikale Kritik an einem Lebensstil, der Glück im Immer-mehr sucht und dabei zwangsläufig scheitert.


Die große Stärke des Buches liegt in der Verknüpfung dieser beiden Ebenen. Paech und Folkers bleiben nicht bei einer reinen Systemkritik stehen, sondern entwickeln gemeinsam das Leitbild einer „Kultur des Genug“. Diese versteht Suffizienz nicht als Verzichtsideologie, sondern als bewusste Entscheidung für ein gutes Leben innerhalb planetarer Grenzen. Der Begriff der „zufriedenen Genügsamkeit“ bildet dabei das normative Zentrum des Buches. Gemeint ist eine Lebensweise, die materielle Begrenzung nicht als Mangel, sondern als Voraussetzung für Freiheit, Zeitwohlstand und seelische Stabilität begreift.


Dabei verschweigen die Autoren keineswegs die Zumutungen, die mit einem solchen Wandel verbunden sind. Sie machen klar, dass eine Kultur des Genug nicht kompatibel ist mit Statuskonsum, globalisierten Lieferketten und einer auf Beschleunigung getrimmten Arbeitswelt. Gleichzeitig zeigen sie aber auch, dass Suffizienz nicht nur auf individueller Ebene gedacht werden darf. Politische Rahmenbedingungen, soziale Infrastrukturen und kulturelle Leitbilder müssen sich ebenso verändern, wenn genügsame Lebensstile mehr sein sollen als das Privileg weniger Idealisten.


Stilistisch ist das Buch anspruchsvoll, aber nicht akademisch abgehoben. Es richtet sich an Leserinnen und Leser, die bereit sind, ihre eigenen Gewissheiten zu hinterfragen und sich auf eine tiefere Auseinandersetzung mit den Grundlagen ihres Lebensstils einzulassen. Wer konkrete Alltagstipps oder einfache Rezepte erwartet, wird hier nicht fündig. Stattdessen fordert All you need is less zu einer ethischen, ökonomischen und spirituellen Selbstprüfung heraus.


Insgesamt ist das Buch eine eindrucksvolle, kluge und notwendige Intervention in die Debatte um Nachhaltigkeit. Es macht deutlich, dass die großen Krisen unserer Zeit nicht allein durch technologische Innovationen oder moralische Appelle zu lösen sind, sondern einen kulturellen Wandel erfordern, der weit über Effizienz und Konsumkritik hinausgeht. All you need is less ist damit nicht nur eine Analyse unserer Gegenwart, sondern ein Plädoyer für eine andere Vorstellung von Wohlstand, Fortschritt und gutem Leben – unbequem, aber gerade deshalb so wertvoll.