Mit „Black Canary: Die Beste der Besten“ legt Panini einen Comicband vor, der weit über eine klassische Superhelden-Geschichte hinausgeht. Autor Tom King, bekannt für seine tiefgründigen, oft schmerzhaft ehrlichen Charakterstudien, nimmt sich mit Dinah Lance alias Black Canary einer Figur an, die seit Jahrzehnten fest im DC-Universum verankert ist – und reduziert ihren Mythos auf das Wesentliche: Kampf, Opfer, Liebe und die Frage, was man bereit ist zu verlieren, um das zu retten, was einem am wichtigsten ist.
Ein Kampf mit weit mehr als körperlichen Einsätzen
Im Zentrum der Geschichte steht ein scheinbar simples Szenario: Black Canary tritt gegen Lady Shiva an, die unangefochten beste Nahkämpferin der Welt. Schon diese Prämisse verspricht einen brutalen, hochklassigen Martial-Arts-Showdown. Doch schnell wird klar, dass es hier um weit mehr geht als um einen Titel oder Ruhm.
Dinahs Mutter ist todkrank, und der uralte Strippenzieher Vandal Savage bietet ihr ein grausames Geschäft an: Hält sie im Kampf bis zur sechsten Runde durch und gibt dann auf, erhält sie ein Heilmittel. Versagt sie – oder weigert sie sich –, verliert sie alles. Der Kampf wird damit zu einer tickenden Uhr, bei der jeder Schlag nicht nur Schmerz bedeutet, sondern eine Entscheidung über Leben und Tod.
Tom King in Höchstform
Tom King nutzt diese Konstellation, um eine intensive Charakterstudie zu entfalten. Dinah Lance ist hier keine unbesiegbare Ikone, sondern eine Frau, die Angst hat, zweifelt, leidet – und trotzdem weitermacht. Kings Stärke liegt darin, innere Monologe, Erinnerungen und Dialoge so zu verweben, dass jede Kampfrunde auch eine emotionale Etappe darstellt.
Besonders eindrucksvoll ist der Umgang mit dem Thema Aufopferung. Was bedeutet es, „die Beste der Besten“ zu sein? Ist es der Sieg um jeden Preis – oder die Fähigkeit, den eigenen Stolz zu brechen, um jemanden zu retten? King stellt diese Fragen ohne einfache Antworten zu liefern und zwingt die Leserinnen und Leser, Dinahs Entscheidungen nachzuvollziehen, selbst wenn sie schmerzhaft sind.
Black Canary jenseits des Sonarschreis
Obwohl Black Canary für ihren legendären Sonarschrei bekannt ist, rückt dieser hier bewusst in den Hintergrund. Der Fokus liegt auf ihrem Körper, ihrer Technik, ihrer Willenskraft. Der Kampf gegen Lady Shiva wird als nahezu aussichtsloses Duell inszeniert – Shiva ist schneller, präziser, erfahrener. Gerade dadurch gewinnt Dinahs Durchhaltevermögen eine enorme Bedeutung.
Die Beziehung zu ihrer Mutter bildet das emotionale Rückgrat des Bandes. Rückblenden und Gespräche zeigen, wie sehr Dinah von ihr geprägt wurde – nicht nur als Kämpferin, sondern als Mensch. Diese familiäre Ebene verleiht der Geschichte eine Intimität, die im Superheldengenre selten so konsequent durchgezogen wird.
Zeichnungen: Brutal, elegant, emotional
Ryan Sook liefert eine herausragende visuelle Umsetzung. Seine Zeichnungen sind klar, ausdrucksstark und verzichten bewusst auf übertriebene Effekthascherei. Die Kämpfe wirken roh, physisch und schmerzhaft, jede Bewegung ist nachvollziehbar, jeder Treffer hat Gewicht.
Besonders beeindruckend ist Sooks Fähigkeit, Emotionen in Gesichtern und Körperhaltungen einzufangen. Schweiß, Blut, Erschöpfung – aber auch Angst, Entschlossenheit und stille Verzweiflung werden mit großer Sensibilität dargestellt. Das reduzierte, oft fast nüchterne Panel-Layout verstärkt die Intensität des Geschehens und lässt dem Drama Raum zum Atmen.
Ein abgeschlossener, starker Band
Dass dieser Sammelband die komplette Miniserie (Black Canary: Best of the Best #1–6) enthält, macht ihn besonders attraktiv. Die Geschichte ist in sich geschlossen, stringent erzählt und entfaltet ihre volle Wirkung ohne Vorkenntnisse. Sowohl langjährige DC-Fans als auch Neueinsteiger können problemlos eintauchen.
Fazit: Ein harter, ehrlicher Blick auf Heldentum
Black Canary – Die Beste der Besten ist kein lauter, bombastischer Superheldencomic. Stattdessen ist es ein intensives, emotionales Drama, das Fragen nach Stärke, Würde und Selbstaufgabe stellt. Tom King und Ryan Sook liefern eine der eindrucksvollsten Black-Canary-Geschichten der letzten Jahre – vielleicht sogar die definitive.
Wer eine tiefgehende, erwachsene Auseinandersetzung mit einer ikonischen DC-Heldin sucht, wird hier fündig. Ein Comic, der weh tut, nachhallt und lange im Gedächtnis bleibt. 🖤🥊